Wenn der Spartaner sich im Wald verirrt!

Bouldern im Magic Wood

 

Da kämpften die Spartaner mit 300 Mann gegen ein riesiges Heer von Persern, schrien ihr geballtes „Spartaner-Aahhuu“ wie ein Mann in die Menge und schon war der Feind, in Form der Persischen Armee, beeindruckt und zitterte vor Angst. Zumindest, wenn man in diesem Fall Hollywood glauben mag …

 

Versucht man das mit dem Schreien heute in der eigentlich immer noch griechisch geprägten Gegenwart, wird man belächelt oder für verrückt erklärt. Wie sich die Zeiten doch ändern. Wir sind wahrscheinlich alle ein bisschen weich geworden.

 

Eines der letzten Refugien, wo Männer (und Frauen natürlich) noch echte Männer sein dürfen, sind die Felsblöcke der Schweizer Alpen. Hier scheint die Welt noch in Ordnung: Bei frischer Luft und gutem Bergkäse müssen die Jungs Holz hacken, die Mädels kochen und das Bad wird durch das eiskalte Wasser des Gebirgsbachs ersetzt. Wen wundert es, dass dies der Traum eines jeden Klettertrainers ist … eine Trainingsausfahrt, die ganz nebenbei noch Abhärtung und zusätzliches Krafttraining für seine Schützlinge verspricht.

 

Nicht ganz 300, aber immerhin 10 „Krieger“ des Climbing Teams begaben sich somit in ein hoch gelegenes Tal in der Nähe von Andeer, welches auch auf den Namen Averstal oder Magic Wood hört. Den magischen Namen hat dieses kleine Waldstück in der Nähe des St.-Bernadino-Passes nicht umsonst, so scheint man beim Betreten in eine andere Welt einzutauchen. Eine Welt voller verwinkelter Gneiß-Blöcke, Felsvorsprünge, Moos bewachsener knorriger Bäume, wo es nicht erstaunen würde, wenn ein Zwerg oder Elf aus dem nächsten Loch hervorspränge. Diese Kombination aus toller Landschaft und genialem Gestein hat hier ein Mekka für Boulderer aus aller Welt geschaffen, mit einer unglaublichen Dichte an schweren und gleichzeitig schönen Bouldern. Interessant wird es meist erst ab dem Grad Fb7a, was ungefähr der Schwierigkeit einer 9-Tour der UIAA Skala entspricht. Somit handelt es sich nicht unbedingt um ein Gebiet für Kletteranfänger.

 

Hier schaut keiner schräg, wenn man einen Kampfschrei in seinem „Fight“ mit den schweren Zügen am Fels ablässt. Also ideal für unsere Spartaner, äh ich meine natürlich Stuttgarter (Climbing Team).

 

Und so begann der Kampf mit unserer ersten Schlacht:

Die Anfahrt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, dank der im Anhänger mitgeführten Kriegsutensilien in Form von Bouldermatten. Diese Schlacht wurde nach 6 Stunden ohne Verluste gewonnen. Da sie jedoch nur im Sitzen ausgetragen wurde, konnte die nächste – das Zelt aufbauen – sofort in Angriff genommen werden. Nach diesen Aufwärmscharmützeln ging es gleich daran, die ersten Kämpfe mit dem Feind zu starten, der auch Fels genannt wird.

 

Dass aber das Finden des Feindes unter Umständen etwas schwierig sein kann, musste in vielen extra Höhenmetern am Steilhang und in unwegsamem Gelände schmerzlich erlernt werden. Frei nach dem Motto, was nicht tötet härtet ab, wurde auf Verluste keine Rücksicht genommen und Ruhepausen erst bei den Zielblöcken zugelassen. So wurde zumindest am Anfang garantiert, dass auch wirklich die letzten Lungenbläschen durchgepustet wurden. Bis in die späten Abendstunden wurde nun gezogen, gehookt, angestanden, gesprungen und gemantlet. Mit teils schon recht passablen Erfolgen.

 

Da trotz Regen ein Großteil der Boulder im Averstal trocken bleibt und auch schnell wieder abtrocknet, konnte auch bei sintflutartiger Güsse von oben auch am nächsten Tag der nächste Angriff gestartet werden. Ganz nach dem Vorbild der antiken Krieger: „Wenn sich die Sonne verdunkelt vor feindlichen Pfeilen (= Regen), dann kämpfen wir halt im Schatten!“ Es gibt schließlich nichts Neues unter der Sonne … Und so wurden innerhalb der kürzesten Zeit Boulder bis Fb7b gezogen und viele erfolgreiche Versuche gestartet.

 

Am Abend wurde dann, ganz wie es sich gehört, Holz gehackt und ums Feuer gesessen. Dass dabei ab und zu eine glühende Kohle von einer Hand in die andere geworfen wurde, oder so manche Spielgeräte oder Hände für kurze Zeit in Brand gesetzt wurden, schien der abendlichen Kampfpausen-Erholung keinen Abbruch zu tun.

 

Der nächste Tag begann mit einem faszinierenden Schauspiel,

so war der Fluss im Tal über Nacht dank einer Stauseeentleerung auf über das doppelte angeschwollen, was bedeutete, dass sämtliche Boulder in Flussnähe nur unter Gefahr fort zu schwimmen hätten beklettert werden können. Egal. In den höheren Lagen gab es noch genug kleine Schlachten zu schlagen. Das wurde dann auch getan.

 

Verletzte gab es natürlich auch, so mussten blutende Nasen und verstauchte Knöchel versorgt werden. Sogar Holzsplitter wurden provisorisch operativ entfernt. Ruhetage gab es keine, so konnte sich zumindest niemand über zu viel Kraft oder Fingerhaut freuen. Aber es gab dafür viele Durchstiege zu feiern. Fast im Stundentakt wurde ein schwerer Boulder nach dem anderen gezogen. Die Bergluft schien den meisten sehr gut zu tun, so konnte nie von schlechter Stimmung die Rede sein und trotz der hohen sich niederschlagenden Luftfeuchtigkeit, konnte man sogar von ganz passablen Kletterbedingungen reden.

 

Der letzte Tag kam, pünktlich zu dem Zeitpunkt, an dem die Kräfte nachließen und sämtliche Finger anfingen zu bluten. So fiel dann auch die Rückfahrt nicht mehr ganz so schwer. Zum Glück konnten die Fahrer noch das Lenkrad festhalten. Erfolgreich war die Schlacht, jedoch ist die Zahl der Feinde endlos … so müssen wir leider bald wiederkommen.

 

Disclaimer:

(Alle Handlungen in diesem Bericht sind überspitzt und übertrieben dargestellt und eignen sich nicht zum Nachmachen. Ebenso entsprechen die dargestellten Begebenheiten nur geringfügig den sich tatsächlich zugetragenen Ereignissen bei der Ausfahrt. Keine Sorge, Klettern/Bouldern macht uns wirklich Spaß)

 

Auch zu diesem Bericht gibt es ein Video: Ausfahrt in den Magic Wood.

 

 

Text: David Reiser

Bilder: Athleten

 

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