W-E-T-T-K-A-M-P-F

Wer von euch weiß, was ein Wettkampf ist? Wahrscheinlich jeder. Und wer von euch hat schon selbst mal teilgenommen? Bestimmt nicht alle. Ist jemand unter den Lesern, der sich selbst Wochen, Monate und vielleicht sogar Jahre auf einen Wettkampf vorbereitet hat? Da werden es sicher nur noch wenige sein. Was ist wichtig, wenn man sich auf einen Wettkampf vorbereitet? Um das zu erklären sind im Folgenden 9 Punkte, passend zum Wort „Wettkampf“ aufgeführt, die man dabei nicht außer Acht lassen sollte.

 

W wie Wissen:

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ soll einmal der bekannte Philosoph Sokrates zu Protokoll gegeben haben. Kaum glaubt man etwas zu wissen, stellt man fest, dass das Gesamte doch etwas komplexer ist, als am Anfang angenommen. So gibt es plötzlich wieder zwanzig Unterpunkte, die man leider noch nicht verstanden hat. Aber selbst wenn man etwas weiß, bringt es nichts, wenn man es nur auf sich beruhen lässt. Erst wenn man das Wissen in eine Entscheidung überführt, hat es seinen Zweck erfüllt.

 

E wie Entscheidung:

Leider müssen wir täglich jede Menge Entscheidungen treffen. Oft sind es nur Banalitäten wie, welche Schuhe ziehe ich heute an oder was soll ich heute nur Essen? Im besten Fall gibt es nur eine Wahl, dann brauche ich mich nicht wirklich entscheiden… Klettern bringt eine Menge Entscheidungen mit sich. Welchen Griff soll ich festhalten? Wo soll ich meinen Fuß hinstellen? Und genau wie mit dem Wissen ist es auch hier. Je mehr man lernt umso komplexer wird das Gesamtsystem. So denkt ein guter Kletterer nicht nur über die bloße Reihenfolge von Füßen und Händen nach, sondern sehr aktiv auch über die Handposition, wo die Finger den Griff festhalten sollen, wo der Körperschwerpunkt liegt oder sogar, ob er an der Wand den Bauch einziehen sollte, um somit den Schwerpunkt näher an die Wand zu bekommen. Da ist es immer sehr hilfreich, wenn man ein Team hat, mit dem man seine „Probleme“ besprechen kann.

 

T wie Team:

Klettern ist ein Teamsport. Oder zumindest ein Partnersport. Soloklettern ist bei den meisten Sportkletterern nicht sonderlich beliebt, somit ist der sichernde Partner lebensnotwendig. Auf alle Fälle, wenn man an seinem Leistungslimit klettern will. Bouldern ist da schon etwas weniger „partnerabhängig“. Jedoch kann man meist in Boulderhallen die Menschen in noch größeren Trauben beobachten, wie sie sich über ein „Kletterproblem“ und über dessen Lösungsmöglichkeiten unterhalten. Zudem ist die Motivation auch deutlich höher, wenn einem jemand zuschaut. Insgeheim braucht schließlich jeder die Anerkennung der anderen. Besonders im Training ist das nicht unerheblich.

 

T wie Training:

Ohne Training geht nichts. Und wenn man gut werden will, gleich gar nichts! In allem, was man macht, ist die Motivation und der Umfang entscheidend. Der Name einer bekannten Tour in der Fränkischen Schweiz trifft das Problem des Trainings auf den Punkt „Quäl dich du Sau“. Es macht nicht immer Spaß, den inneren Schweinehund zu überwinden. Jedoch wird man auf lange Sicht dafür belohnt, wenn man endlich etwas kontrollieren kann, was vor kurzem noch das absolute Limit war.

 

K wie Kontrolle:

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wer kennt den Spruch nicht? Das sagen sich auch viele Kletterer. Springen ist für viele nicht gerade die bevorzugte Fortbewegungsart in der Vertikalen. Denn dazu muss man die Kontrolle zumindest für einen kurzen Moment aufgeben. Nur wenn man Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besitzt, ist man bereit diese Kontrolle aufzugeben. Und das ist der Punkt, an dem man die guten, von den sehr guten Kletterern unterscheiden kann. Wie geht der einzelne mit dem Kontrollverlust um? Wie schnell kann er sich auf ungeahnte und nicht vorgeplante Dinge einstellen? Ebenso hilft das Vertrauen, mit einem wichtigen Teil des Kletterns umgehen zu können: der Angst.

 

A wie Angst:

Angst macht uns menschlich. Angst vor der Höhe (hat übrigens jeder) oder Angst zu versagen. Angst verleiht Flügel (und nicht österreichische Energiedrinks, wie manche jetzt behaupten würden). Andererseits verhindert sie, dass wir noch klare Gedanken fassen können. Es ist wichtig, dass wir lernen, sie zu kontrollieren und die guten Aspekte (die Flügel) uns zu Nutze zu machen. Das Problem ist: Wie kontrolliert man die Angst? Die Antwort: Jede Möglichkeit zu nutzen, sich ihr auszusetzen. Dabei ist es aber auch wichtig, dass wir unsere Grenzen sehr genau kennen. Wenn wir unsere Möglichkeiten überschätzen, dann ist die Angst vielleicht das einzige, was uns hilft am Leben zu bleiben.

 

M wie Möglichkeit:

Wir müssen unsere Möglichkeiten und Grenzen kennen. Doch: Wie können wir sie kennen lernen? Indem wir uns ihnen aussetzen. Aussetzen heißt nicht einfach blauäugig in eine Gefahr zu rennen, sondern in kontrolliertem Umfeld die Grenzen auszuloten. Hält der Fuß, wenn ich ihn einfach auf Reibung an die Wand stelle? Kann ich an einem Finger mein Körpergewicht halten?
Wie lange kann ich noch mit aufgepumpten Armen klettern ohne herunterzufallen? Wir lernen mit jeder Überschreitung der Grenzen dazu. Es sollte nur garantiert sein, dass dieses Überschreiten der Grenzen auch aufgefangen wird. Mit einem doppelten Boden, einer Matte oder einem Seil. Dann macht es Spaß, mehr als 100 Prozent zu geben.

 

P wie Prozent:

Wusstet ihr, dass der Mensch im untrainierten Zustand nur ca. 60-70 Prozent seiner Muskelfasern auf einmal anspannen kann? Diese sogenannte Aktivierungsreserve kann nur unter extremen Bedingungen aktiviert werden. Das heißt, wenn es wirklich kritisch ist, können manche fast doppelt so viel Kraft aufbringen wie normal. Durch Training kann man diese Schwelle nach oben verschieben. So wird behauptet, man könne im austrainierten Zustand bis zu 95 Prozent seiner Muskelfasern aktivieren. Gar nicht schlecht, oder? Als Fazit kann man dazu sagen, es lohnt
sich zu trainieren, dann braucht man keine Stresssituation, um stark zu sein.

 

F wie Fazit:

Wettkämpfe sind dazu da einen Sieger zu küren. Hierzu müssen wir uns mit den anderen messen. Jedoch ist meist nicht der Gegner das Problem, sondern wir selbst. Wie haben wir unser Wissen eingesetzt, welche Entscheidungen haben wir getroffen? Haben wir uns im Training als Team motiviert? Haben wir Kontrolle über unser Handeln und über unsere Angst? Haben wir unsere Möglichkeiten wirklich zu 100 Prozent ausgenutzt? Am Wettkampftag kommt die Stunde der Wahrheit.
Und blöderweise kann nur einer gewinnen. Aber das ist nicht schlimm. Denn den wirklichen Wettkampf tragen wir mit uns selbst aus. Ein wahrer Sieger ist der, welcher sich selbst überwinden kann.

 

 

Text: David Reiser

Bilder: Archiv Climbing Team

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