Vor dem ersten Wettkampf & Resumée des Wettkampfs in Tübingen

Die Vorbereitungen auf den Auftaktwettkampf im neuen Jahr bilden eine besondere Trainingsphase im jährlichen Trainingskalender

 

Biiiiieep – Das Signal, das anzeigt, dass nur noch 1 Minute Zeit übrig ist, um den Boulder zu beenden erklingt. Finja steigt ein, in den langen, wackligen Schiebeboulder über zahlreiche Module und viele kleine Griffe. 30 Sekunden – die Zone1* hat sie. Noch zwei Griffe weiter, jetzt ist sie dort angekommen, wo sie bisher schon einmal war. Von hier bis zum Top liegt unbekanntes Neuland vor ihr. Neuland, für dessen erfolgreiche Durchquerung sie jetzt nur noch 15 Sekunden Zeit hat. Sie konzentriert sich, gibt sich einen Ruck, zieht zum Topgriff, hält ihn. Und nur Sekunden bevor die Zeit abgelaufen wäre, spricht der Schiedsrichter das rettende „OK“ aus. Das Zeichen, dass das Top2* gewertet wird. „Geschafft!“

 

Auch wenn sich beim Kletterwettkampf die Platzierung oft an wenigen Zügen, Punkten oder Sekunden entscheidet, wie hier am 9. Februar beim BaWü-Boulderwettkampf in Tübingen, nimmt die Vorbereitung dafür viele Monate in Anspruch. In diesem Bericht möchte ich euch einige, eigentlich streng geheime :) Insider-Facts liefern, wie sich das Climbing Team auf Wettkämpfe vorbereitet.

 

Zählt man als Trainer alles auf, was letzten Endes zu einem Wettkampf hinführt, muss man schon beim Aufbautraining im Herbst (2018) beginnen. Hier werden die konditionellen Grundlagen geschaffen. Damit ist weniger nur eine gute Ausdauer (wie vom Joggen bekannt) gemeint, sondern auch alle anderen Formen des Muskelaufbaus und der Muskelkräftigung. Da dies ein langwieriger Prozess ist, führen die meisten Wettkämpfer diesen Teil des Trainings im Winter, der beim Klettern der Wettkampfpause entspricht, durch. Doch im modernen Wettkampfklettern reicht es bei weitem nicht aus, konditionell gut aufgestellt zu sein. Präzises Stehen, gutes Körpergefühl, Techniken wie Hooken, Eindrehen oder Manteln und koordinative Sprünge, bei denen alle Gliedmaßen gleichzeitig an die richtige Stelle bewegt werden müssen, sind notwendig, um beim Wettkampf vorne mitspielen zu können. Betrachtet man nämlich einen Wettkampf als Ganzes, ist es Aufgabe der Routenschrauber, all diese Bewegungen und noch einige weitere verteilt über alle Boulder abzufragen. So zeigt sich, wer der größte Allrounder ist und dadurch am meisten Boulder bzw. Zonen in den wenigsten Versuchen schaffen kann.

 

All das versuchen die Trainer des Climbing Teams bereits lange vor einem Wettkampf, dann aber natürlich besonders in der intensiven Vorbereitungsphase wenige Wochen vor dem Wettkampf ins Training einzubauen, um die Athleten auf das vorzubereiten, was auf sie zukommt. Besonders beim Auftaktwettkampf, der dieses Jahr wie so oft in der wettkampfsportlich engagierten Tübinger Kletter- und Boulderhalle B12 veranstaltet wurde, ist es für die Trainer schwierig das Niveau abzuschätzen. Schließlich haben sie die Athleten der anderen Sektionen zuletzt Anfang Herbst bei Wettkämpfen beobachten können und das in einer anderen Disziplin.

 

In der intensiven Vorbereitungsphase eines Wettkampfs wird an den Feinheiten gearbeitet. Die Grundlagen müssen jetzt bereits sitzen. Innerhalb der Gruppen führen wir Trainingswettkämpfe durch. Neben den klettertechnischen Aspekten und der Vermittlung der Regeln steht hier auch die mentale Vorbereitung auf einen Wettkampf im Fokus. Schließlich wird sich jeder vorstellen können, dass es etwas anderes ist, einen Boulder im Training zu klettern oder im Finale eines Wettkampfs. Gerade in Beispielen wie oben, wenn im Finale nur noch wenige Sekunden Zeit sind, um den Boulder zu schaffen, ist es ganz besonders wichtig, dass die Athleten ihren Kopf auf Linie halten können.

 

Auch außerhalb von Trainingswettkämpfen ist Onsight3*- und Flash4*-training äußerst wichtig. Im Boulderwettkampf hat man in der Qualifikation 4 Versuche für einen Boulder, im Finale zwar so viele man möchte, aber dafür nur 5 Minuten Zeit. Abgesehen davon zählt ein Top2* oder eine Zone natürlich auch mit jedem Versuch, den ein Athlet mehr benötig, weniger. Im Training wird deshalb bereits darauf geachtet, dass die Boulder in möglichst wenigen Versuchen geschafft werden. Dazu besuchen wir immer wieder auch andere Hallen, um bisher unbekannte Boulder ins Training zu integrieren. Speziell zur Vorbereitung auf Tübingen war die Leistungsgruppe beispielsweise in der Rockerei und – natürlich – in Tübingen im B12.

 

Neben dem langfristigen Trainingsziel kontinuierlicher Steigerung und darauf ausgerichteten Trainingsinhalten sind dies die konkreten Maßnahmen, um an einem speziellen Wettkampftag fit zu sein. Sie erfordern einiges an Planung – wie viel es tatsächlich gebracht hat, zeigt sich dann am Wettkampftag. Dieser ist deshalb immer eine besonders spannende Sache. In Tübingen ist es zumindest bei fast allen richtig gut gelaufen. Das zeigte sich natürlich auch in den Wettkampfergebnissen, die ihr unten lesen könnt.

 

Das Gute in diesem Jahr ist, dass wir bis zum nächsten BaWü-Cup am 11. Mai noch einiges an Zeit haben, um kleinere Mängel, die bei der Analyse des Tübinger Boulderwettkampfs festgestellt wurden, auszumerzen. So wird es beim nächsten BaWü Wettkampf im Climbmax hoffentlich mindestens genauso gut laufen! Bis dahin ist natürlich keine Pause angesagt, im Gegenteil: Es steht zwischenzeitlich noch die Süddeutsche Boulder Meisterschaft (23.02.2019), der 1. Deutsche Jugendcup im Bouldern (16.03.2019), eine Woche Felsklettern in den Osterferien und sicherlich das ein oder andere Extratraining an. Ihr seht, der Kalender eines Wettkampfkletterers ist gut gefüllt!

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1* Zone: Als Zone wird bei Wettkampfbouldern die Zwischenwertung bezeichnet. Man bekommt nur Punkte für das Erreichen der Zone und des Tops.

2* Top: Als Top wird die höchste Wertung eines Boulders bezeichnet. Dieser klar markierte Griff muss mit beiden Händen sicher gehalten werden, damit man die höchste Wertung vom Schiedsrichter eingetragen bekommt.

3* Onsight: Das Klettern eines Boulders oder einer Route, ohne ihn vorher selbst probiert zu haben und ohne jemand anderen dabei beobachten zu dürfen. Im Boulderwettkampf wird das Finale im Onsight-Modus geklettert. Die Athleten müssen sich daher vorab räumlich abgetrennt in der sogenannten Isolation aufhalten und dürfen keinem anderen Athleten beim Bouldern zuschauen.

4* Flash: Das Klettern eines Boulders oder einer Route, ohne ihn vorher selbst probiert zu haben aber mit erlaubtem Beobachten anderer. Im Boulderwettkampf wird die Qualifikation im Flash-Modus geklettert.

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Resumée des Wettkampf in Tübingen:

In Tübingen lief es für viele der Climbing Team Mitglieder richtig gut! Über den ganzen Wettkampf gesehen haben wir 25% der Finalisten gestellt, worauf wir sehr stolz sind. Insbesondere, weil wir mittlerweile 19% des Teilnehmerfeldes stellen, was bedeutet, dass übermäßig viele Climbing Team Mitglieder ins Finale eingezogen sind. Besonders weit vorne konnten sich Ben Pfeiffer (5. JB), Deborah Lang (5. JA), Lara Marx (5. JB), Robin Schüssler (6. JB), Jona Marx (7. JA), Malena Schmidt (7. JA), Falk Rohloff (8. JA), David Brenner (9. JB).

Herzlichen Glückwunsch an unsere Athleten für ihre tolle Leistung!

 

 

Bilder: Theodor Bauer und Michael Müller

Text: Michael Müller

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