Trainingslager der Leistungsgruppe im Frankenjura

>> Magnesia geschwängerte Kletterhallenluft, Schweiß treibendes Routen spulen an bunten Kunststoffgriffen, abgefahrene Bewegungen im Boulderraum, Ringbänder strapazierendes Hangeltraining am Campusboard und all das an möglichst neun Tagen pro Woche. Assoziationen, die manch einem spontan zum Thema Wettkampfklettern kommen könnten. Dass auch das Felsklettern und der damit verbundene „Lifestyle“ beim leistungsorientierten Training ihren Platz haben, hat die noch junge Leistungsgruppe des Climbing Team Stuttgart bei einem viertägigen Trainingslager in der Fränkischen Schweiz erlebt. <<

 

Wettkampfklettern bedeutet, früh aufzustehen. Das haben die Teilnehmer der Leistungsgruppe bereits bei den ersten Wettkämpfen dieses Jahres lernen müssen. So ging es beispielsweise zu den 8. Münchener Stadtmeisterschaften im Juni um 6:00 Uhr in aller Frühe los. Beim Felsklettern darf es auch mal etwas später sein. Um 10:00 Uhr des ersten Sommerferientags trafen wir uns bei einsetzendem Regen, der die Vorfreude auf die nächsten Tage jedoch ebenso wenig dämpfen konnte wie die heftigen Regengüsse während der Reise. Außerdem zeigte sich immer mehr des weiß-blauen bayrischen Himmels, je näher wir dem Frankenjura kamen. Kein Wunder, dass der Kletterdrang stieg und bei der Rast abreagiert werden musste. Leider noch nicht am Fels aber mit einem am Rastplatz abgestellten Panzer fand sich schon mal ein ausreichend stabiles Klettergerüst für die ersten Aufwärmübungen.

 

Am frühen Nachmittag war der Campingplatz „Oma Eichler“ in Untertrubach erreicht. Dass die Fränkische Schweiz eine Region im Bayrischen Franken ist und nicht in den Alpen liegt, scheint für viele keine Selbstverständlichkeit zu sein. Einig waren wir uns jedoch, dass sich Heidi auch im idyllischen Frankenjura zwischen Wäldern, Wiesen, urigen Dörfern und überall sprießenden Felstürmchen wohlfühlen würde. Statt mit Ziegenpeters Ziegen müsste sie halt mit den nebenan wohnenden Schafen vorliebnehmen. Ob Ziegenpeter dem sich der Herde nähernden Robin wohl auch einen so heftigen Hieb versetzen würde wie es hiesiger Elektrozaun tat? Dieser bot die nächsten Tage jedenfalls noch genügend Anlass zu Exkursionen in sowohl theoretischer als vor allem auch praktischer Physik.

 

Zügig wurden nun drei Zelte aufgebaut und der erste Einkauf erledigt. Eingedeckt mit der für Felsausflüge sehr wichtigen guten Verpflegung begaben wir uns mit Sack, Pack und obligatorischer Kaffeemaschine endlich an die „Betzensteiner Sportkletterwand“, die sich als „Graischer Bleisteinwände“ herausstellten; ein kleiner Fehler bei der Eingabe der Koordinaten ins Navi, das einem bei der verwirrenden Vielfalt an Klettermöglichkeiten ansonsten ein nützlicher Helfer ist.

 

An den Bleisteinwänden ist es zwar etwas feucht und dunkel, die vielen leichteren Routen boten jedoch den weniger Erfahrenen günstige Gelegenheiten, sich im Toprope an den noch ungewohnten Fels heranzutasten. Aber auch Michi fand die eine oder andere Route im unteren 8ten Schwierigkeitsgrad, um seinen die nächsten Tage folgenden bunten Reigen an 8er-Routen zu eröffnen. Zudem hielt das dichte Blätterdach die wieder einsetzenden Regenschauer ab.

Einen Teil der Gruppe zog es noch weiter an die „Soranger Wand“, um dort bis nach Einbruch der Dunkelheit die ersten Projekte für den folgenden Tag auszusuchen. Am Campingplatz wurden sie schon sehnsüchtig erwartet, um endlich die Kocher anschmeißen zu können, auf denen schließlich eine große Portion Spaghetti Bolognese zubereitet wurde. So viel als auch schmackhaft, dass wir am folgenden Abend noch davon satt werden sollten. Der nun einsetzende Dauerregen war ein willkommener Anlass, sich nach einem langen ersten Tag in die schützenden Zelte und wohlig warmen Schlafsäcke zurückzuziehen.

 

Nach einer verregneten Nacht ließ sich die Sonne am Freitagmorgen bald immer öfter blicken. Unter solch günstigen Bedingungen konnten die ersten Projekte an der Soranger Wand schnell abgehakt, die ersten Routen trotz teils Furcht einflößender weiter Hakenabstände im Vorstieg sicher bewältigt und die Schwierigkeitsgrenzen mit neuen Projekten weiter nach oben verschoben werden. Bei nun schönstem Sommerwetter dürfte es bei aller Anstrengung darüber hinaus niemandem schwer gefallen sein, den am Fels so wichtigen Rhythmus zwischen entschleunigtem Rumhängen und Anspannung beim Klettern zu finden.

Am Abend zeigten sich nun die ersten Strapazen durch den löchrigen teils scharfen Muschelkalk an den Händen. Unter sternenklarem Himmel wurde über die Vorzüge von Daunenjacken im Sommer und die hohe Kunst der richtigen Schmirgelpapierkörnungs- und Salbenwahl diskutiert, allerhand Geschichten – nicht nur über Heidi – erzählt und das „Chillen“ zu viert in der Hängematte perfektioniert. Sternschnuppen gaben Anlass zu vielen Wünschen, die hoffentlich alle erfüllt werden; zuerst natürlich die von Maria und Sophie, die ihre allerersten Sternschnuppen bewundern konnten.

 

Noch ausstehende Projekte an der Soranger Wand trieben einige am Samstagmorgen bereits verhältnismäßig früh an die klare, aber noch sehr frische Luft. Insbesondere Michi, der sich sein Projekt (Hungry Eyes, 8+/9-) natürlich unbedingt zum heutigen 15. Geburtstag schenken wollte. Nach Frühstück mit Geburtstagskuchen und Ständchen zogen wir getrennt zur „Soranger Wand“ und zum „Schlaraffenland“, um uns nach erledigter „Arbeit“ am Schlaraffenland zu treffen. Bisher noch eher ängstlichere Gruppenmitglieder stiegen inzwischen selbständig und sicher in sogar spärlich abgesicherte Routen ein. Michi hatte „seinen Tag“ und konnte noch einige weitere Routen im 8ten Grad verbuchen.

Zurück am Campingplatz wurde schließlich am Grill ein für alle zwar anstrengender, aber erfolgreicher Tag beendet. Michi war gar so platt, dass er inmitten des Chaos neben dem noch glimmenden Grill, ganz bestimmt sehr zufrieden, einschlief. Am Sonntag zeigten sich die Strapazen der vorangegangenen Tage bei allen deutlich. Uns allen fiel es ersichtlich schwer, am Vormittag in die Gänge zu kommen. So ließen wir uns viel Zeit und unterbrachen das Abbauen der Zelte und Lichten des entstandenen Durcheinanders immer wieder durch Wasserschlachten im eiskalten Bach, Volleyball spielen und allerhand Blödsinn.

 

Mit vollgepackten Autos ging’s letztendlich noch zur „Marientaler Wand“, wo die Energie nun nicht mehr ganz so überschießend wie an den Vortagen war. Das hieß natürlich nicht, dass nur noch Müßiggang angesagt war. Michi holte sich noch einen Durchstieg in „Hängt a weng über“ (8/8+) ab und Christoph in „The Left Side of Darkness“ (9). David reichte in „Leftfield“ (9+/10-) nach all den vorausgegangenen schweren Routen die Kraft leider nicht mehr ganz bis oben. Alle anderen stiegen inzwischen fast routiniert und sicher, trotz weiter Hakenabstände vor und der letzte Tag wurde noch bis 20:00 Uhr am Fels ausgenutzt. Als alle müde, aber glücklich und zufrieden gegen 23:00 Uhr in Stuttgart eintrafen, rundete der nun am Parkplatz wieder einsetzende Regen das schöne lange und dabei doch kurzweilige Wochenende ab. Ganz bestimmt hat das Trainingslager den meisten der Leistungsgruppe neue Aspekte der Vielfalt des Kletterns erschlossen und damit neue Motivation für die nächsten harten Traningseinheiten und die ab September anstehenden Wettkämpfe der Baden-Württembergischen Jugendcupserie geweckt.

 

 

Text: Christoph Knoche

Bilder: Trainer Leistungsgruppe

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