Schwächentraining

Wir als Risskletterfans dachten uns am Ende der Alpinsaison, dass wir Mal nen bisschen Schwächentraining machen und in die Dolomiten fahren. Mal was Anderes als leicht zu findene Linien in bombenfestem Basalt oder Granit.


Die drei Zinnen hielten wir für einen guten Einstieg, besonders weil uns der Pause-Führer die Südostkante an der kleinen Zinne als „gemütlichen Nachmittagsbummel“ schmackhaft machte.
Also hingedüst und für sündhaft teure 30 Euro die Nacht auf dem Parkplatz verbracht. Am nächsten Morgen ging's dann entspannt los, uns stand ja nur ein „gemütlicher Nachmittagsbummel“ bevor. Bei 30 min Zustieg und 350m Routenlänge sollten wir auch nicht allzu lang brauchen.
Die ersten zwei Seillängen sind gleich die Schlüsselseillängen, diese waren für uns aber lang nicht die Crux der Tour. Thomas beschloss dann die 3. und 4. Länge zusammen zu hängen und landete prompt am falschen Stand. Dies mag auch an den drei verschieden Topos gelegen haben, die alle drei verschiedenste Varianten der Tour zeigten. Egal, 4 Meter rübergequert, den richtigen Stand links liegen lassen und ab in die nächste Seillänge. Diese lief ohne Probleme, dafür wollten wir in der nächsten Seillänge wieder Richtung Kante, da wir uns mittlerweile mitten in der Ostwand befanden.
Also fanden wir unseren Weg zur Kante an ein paar eumeligen Haken mit Schwierigkeiten, die den ausgeschriebenen 5. Grad deutlich überschritten, bis zum vermeintlich rettenden Stand. Als Thomas nachkam hing Niklas sichtlich nervös an einem alten Stand, bei dem die Haken schon halb rausschauen. Kein schönes Gefühl, wenn man 150 m Luft unterm Hintern hat und es keine Möglichkeit gibt den bestehenden Stand sicherer zu machen.
Eigentlich gab es hier nur die Flucht nach vorne, doch vor uns bäumte sich eine dolomittische Seillänge auf, wie sie im Buche steht: Ein scheißen steiler Haufen Cornflakes ohne jegliche logische Linie, aus dem in scheinbar unerreichbarer Entfernung hin und wieder Mal altes Material zum Vorschein kommt. Da wir noch ein bisschen leben wollten, entschieden wir uns für den Rückzug.


Zurück am Auto stand fest: Wir brauchen wieder logische, einfache Linien, etwas zum Klemmen und Hochrampfen, wo wir unsere eigenen Sicherungen legen und nicht an Großvaters umgedengelten Gerüsthaken baumeln.

 

Cadarese, als bestes Rissklettergebiet Europas bekannt, stand sofort fest. Also auf ins Ossola-Tal, immerhin mussten wir so nur eine Nacht auf dem teuren Parkplatz in den Dolomiten verbringen. Denn kurz vor Cadarese gibt es einen Picknickplatz, auf dem das Campieren geduldet ist, es sogar Toiletten gibt und der Bach nicht weit entfernt liegt. Am nächsten Morgen erwartete uns dann tatsächlich ein wahres Paradies für Riss- und Tradkletterfans.
Hier gibt es fantastische Traumlinien, wie zum Beispiel die "Foglie Cadenti" (6a+), eine perfekte 30 m Piazschuppe. Das hätte gerne noch ein paar Seillängen weitergehen können! Aber dem Vorsatz "Schwächentraining" wollten wir auch hier nachgehen, also erkor Thomas die "C'Era una Volta" zu seinem Projekt und stellte sich seiner Schwäche, dem Piazen. Nach ein paar Versuchen kam er dann auch in die sogenannte "Lovebox". Einem kleinen, telefonzellenartigen Kamin, in dem man kurz Kraft und Liebe sammeln kann, um die letzten paar Meter der Tour durchzusteigen. So konnte Thomas sich mit 7b+ seine bisher schwerste Trad-Tour eintragen.


Niklas konnte es ihm gleichtun, indem er nach etlichen Versuchen das Rissdach der "Occi di Giada" (7b+) erfolgreich durchgeschrubbt hat. Auch wenn er dafür einen höheren Blutzoll bezahlen musste und weniger Liebe bekam. Dafür bekam er das Felsband am Einstieg der Route in die Hüfte, nachdem er den dicken 4er Friend aus dem Dach gerupft hatte, welchen Thomas von unten noch aufmunternd als „hebt scho“ beurteilte. Am nächsten Tag humpelte Niklas etwas, aber für Rissdächer muss man definitiv nicht laufen können. Und so gelang dann schließlich auch der Durchrampf äh.. -stieg.

Zur Belohnung machten wir dann noch ein paar weitere schöne Touren, wie den "Crack a Go Go" (7a), ein fantastischer Handriss, welcher in einer defizilen Piazstelle endet.
Oder "Mission Gin Lemon (6b+), in welcher man alle Rissbreiten durchleben kann.


Die letzten zwei Tage verbrachten wir dann noch im nahegelegenen Klettergarten Balma.
Dieser ist perfekt für Zustiegsmuffel; einmal umfallen und wieder aufstehen und schon kann man den ersten Haken vom Boden aus klippen. Gut geeignet für Risseinsteiger, da es hier viele sehr gut gesicherte Touren gibt, in denen man das legen von mobilen Sicherungsmittel üben kann.

Thomas versuchte sich hier an der geschichtsträchtigen Kingline "Profondo Rosso" (8a+), musste den Durchstieg aber auf die Zukunft verschieben.
Nun stellte sich auch Niklas seiner Schwäche, den Fingerrissen, und konnte dann die Re Azul (7b+/c) im 4. Versuch klettern, während der Regen unseren Schwächentrainings-Urlaub beendete.


Schlussendlich ist zu sagen, dass das Ossola-Tal für Risskletterfreunde ein Muss ist. Allerdings die Basaltsteinbrüche bei Ettringen zum Rissklettern, unserer Meinung nach, einfach besser sind.

Risskleddern, des isses!

 

 

Text und Bilder: Niklas Kunze

 

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