Rissklettern, des isses!

Drei Freunde aus dem Climbing Team beschlossen ihren Kletterhorizont fernab des Mainstream zu erweitern. Ziel war die Eifel, wo sich Dank einstiger Vulkantätigkeit Basaltformationen mit Risslinien gebildet haben, wie man sie hierzulande sonst nirgends findet. Das überwiegend selbst mit Friends abzusichernde „Trad“-Klettern birgt neben der Rissklettertechnik zusätzliche Herausforderungen …

 

 

Die Finger bluten, die Zehenspitzen sind schmerzhaft im schmalen Riss verdreht, man hat dicke Arme und will einen Friend legen. Die Fingerklemmer sind aber zu schlecht. Also Flucht nach vorne! Rechten Fuß hoch, verdrehen, linke Hand hoch, Finger in den Riss und verdrehen, linken Fuß hoch, verdrehen, rechte Hand in den breiten Ausbruch des Risses. Endlich, ein guter Handklemmer. Der 0,75er... zu klein, wieder zurück an den Gurt... der 2er... zu groß, zurück an den Gurt... wo ist der 1er? Ach ja, der steckt schon einige Meter unter einem im Riss. Allmählich wird der gute Handklemmer schmierig und schmerzhaft. Die Hand rutsch langsam aus dem Riss, der raue Basalt reibt am eh schon zerschundenem Handrücken... freier Fall... nach dem Bruchteil einer Sekunde ist es auch schon vorbei. Man sitzt im Gurt und schaut langsam das Seil hoch bis zum letzten gelegten Friend.

Puh, der hat gehalten!

 

So ging es uns Dreien in unseren ersten Risstouren. Aber, wir wollten es unbedingt mal ausprobieren. Das Gebiet stand schnell fest: Die Basaltsteinbrüche bei Ettringen in der Eifel zwischen Koblenz und Köln. Das nötige Material hatten wir auch, beinahe schon im Überfluss: Ca. 60 Friends in jeder Größe. Und Tape-Rollen – mehr als Klopapier. Die nötige Rissklettertechnik: nicht vorhanden, aber lernt man ja. Einziger Haken bei der Sache: Es war Anfang März und es lag teilweise noch Schnee. Aber ganz nach dem Motto „Männer frieren nicht – sie zittern vor Wut, dass es nicht noch kälter ist“ setzten wir uns Mittwochabends ins Auto und fuhren 2 ½ Stunden gen Norden.

Bei Dunkelheit und gefühlten -10 Grad wurde noch schnell das Zelt auf unserem Campingplatz „Siesta“, ca. 10 Autominuten vom Gebiet entfernt, aufgebaut. Verkehrsgünstig gelegen, direkt an der Autobahn, braucht man dort nachts nicht mal eine Taschenlampe, um den Kocher anzuzünden – ein Licht kommt alle paar Sekunden vorbeigefahren. Das Essen fiel, wie jeden der kommenden Abende, eher bescheiden aus. Gnocchi mit Pesto. Aber Hauptsache satt.

Als wir am nächsten Morgen aus dem Zelt krochen, knirschte es erst einmal unter unseren Füßen. Raureif auf dem Gras. Na toll, das kann ja lustig werden. Das Frühstück wurde schnell verdrückt, und wir machten uns auf zum Großen Bruch, dem größten der vielen bekletterbaren Steinbrüche. Schon während des kurzen Abstieges in den Steinbruch, liefen wir durch den Schnee. Doch die Routen schienen alle trocken und kletterbar.

 

Ein Riss-Klassiker in Ettringen ist die Mayflower (8-). Ein steiler, oben leicht überhängender Handriss. Da dieser sogar sehr gut eingebohrt ist, wollten wir diesen als erste Tour machen. Die dicken Daunenjacken wichen schon bald den T-Shirts, da die Sonne rauskam. Nur im Schatten hatte es immer noch gefühlte Null Grad. Nachdem wir nach wenigen Versuchen die Tour abgehakt hatten, wollten wir uns an die erste Trad-Tour wagen. Niklas meinte, in der „Hölle“ gäbe es einen schönen, cleanen 6er. „Ein 6er zum Reinkommen? Sollte gut machbar sein!“, dachten wir. Also nichts wie hin!

Die Route „Fegefeuer“ ist ein 20 Meter langer, schnurgerader Fingerriss ohne Haken. Michi machten den ersten Versuch und stieg sie direkt durch, auch wenn es sehr knapp und schwer erschien. Bei Thomas war es noch knapper, doch auch er konnte sie direkt durchsteigen. Wären in der Tour Haken gewesen, wäre Thomas wahrscheinlich gefallen, doch er kletterte während des Trips unter dem Motto: „Ich fall doch nicht in einen Friend rein, die halten eh nicht! Ich leg die nur zum Spaß.“ Niklas widerlegte diese These direkt, als ihm bei seinem Flash-Versuch der Fuß wegrutschte. Die Dinger halten also tatsächlich. Die Tour fiel uns so schwer, dass wir in den Führer schauten und feststellen mussten, dass unsere erste reine Trad-Tour eine 8- war. Danke Niklas!

Nach diesem, doch sehr harten, Einstieg ins Tradklettern fiel uns dann die beeindruckende Linie der  „Mut der Ver2flung“ auf. Es war sofort klar, da müssen wir hoch! Mit einer Bewertung von 8+/9- ist diese Risslinie eine der schwersten, cleanen Touren im gesamten Gebiet. Michi checkte die Tour zuerst aus. Nach mehreren Stürzen und einigen schweren Piazpassagen, schaffte er es zum Umlenker. Danach checkten Thomas und Niklas aus und dann ging es an die Durchstiegsversuche: Michi hatte in seinem zweiten Versuch keine Kraft mehr, einen Friend in den schmalen Fingerriss zu fummeln. Deshalb legte er einen beeindruckenden Runout zum Umlenker hin, womit ihm der Durchstieg gelang. Thomas und Niklas mussten am nächsten Tag nochmal in die Route einsteigen, um sie dann durchzusteigen.

Im „Kühlschrank“ wurden dann noch die Touren „Brust mit links“ (7+), „In der Kelle des Knopfgießers“ (8) und „Flirtin with Disaster“ (8+) geklettert.

 

Am letzten Tag ging es dann in das „Finsterlay“, einen kleinen Steinbruch bei Mayen, ca. 10 Minuten vom Campingplatz entfernt. Zum Aufwärmen kletterten wir dort den „Blutigen Samstag“ (6), einen perfekten, etwas feuchten Handriss, der sich sehr leicht selbst absichern lässt. Super für jeden, der mal ins Rissklettern reinschnuppern will. Danach kletterten wir die Feuertaufe (8-) und den schnurgeraden Faustriss „Oger“ (7), wo wir die Grenzen unserer Faustbreite kennenlernten.

 

Als letzte Tour des Tages stand dann der Offwidth „MDW“ (7+) an. Diese Tour war zu unserem Erstaunen mit drei sehr weit auseinander liegenden Haken ausgestattet. Nachdem wir eine kleine Einweisung von den Locals in die eher gewöhnungsbedürftigen Techniken dieser sehr breiten Risse erhalten hatten, stieg jeder von uns mit dem einzigen 6er-Camalot, den wir hatten, in die Tour. Schnell stand fest: Das ist nochmal eine ganz andere Hausnummer, als schmale Risse und angenehm zu stemmende Kamine. Mit der Schulter und dem Bein halb im Riss, schoben wir den 6er-Friend vor uns her. Die Hände und Füße fanden aber gar keinen Halt in dem aalglatten Basalt. So robbten wir uns Zentimeter für Zentimeter den Riss hoch, um schon nach 2 Metern vollkommen aus der Puste zu sein. Niklas hatte bald nach einem üblen Sturz auf einen Absatz keine Lust mehr und auch Thomas verlor schnell die Motivation. Doch Michi wollte es wissen. Mit Stirnlampe bewaffnet stieg er in der Dämmerung in das Rissmonster ein. Der Durchstieg gelang ihm, indem er die Tour ab der Hälfte piazte.

 

Glücklich und komplett zerschunden krochen wir aus dem Loch zurück zum Auto und fuhren nach Sonnenuntergang zurück nach Stuttgart.

 

Ettringen zählt mittlerweile zu unseren Topgebieten. Anstatt „Frankenjura“ heißt es mit Sicherheit die nächsten Male „Ettringen!“, denn: „Risskleddern, des isses!“

 

 

Zum Bericht gibt es auch ein Video, dass es auf jeden Fall lohnt anzuschauen!

 

 

Text: Niklas Kunze und Thomas Stoll

Bilder: Niklas Kunze, Thomas Stoll, Michael Müller

Zurück