Mentaltraining

Resümee eines Extratrainings der Leistungsgruppe des Climbing-Teams

 

>> Unser Gehirn steuert unser Handeln – soweit bekannt. Ob wir eine Standardbewegung ausführen wollen, oder einen hoch koordinativen Sprung schaffen möchten, egal ob unterbewusst oder bewusst, unser Gehirn sagt was zu tun ist. Doch was können wir tun, wenn unser Gehirn eben nicht genau das macht, was wir wollen? Was ist, wenn wir vor einem wichtigen Wettkampf total im Stress sind? Was ist, wenn wir uns beim Klettern einfach nicht richtig konzentrieren können? Oder, wenn wir es manchmal einfach nicht schaffen uns zu motivieren? Können wir unser Gehirn – mit unserem Gehirn – steuern? <<

 

Die Antwort ist: Ja, zumindest in begrenztem Umfang. Allerdings braucht es dazu genauso wie in allen anderen Bereichen des Kletterns Wissen und Übung. Für Themen wie dieses, für die man während dem normalen, wöchentlichen Training einfach nie genügend Zeit hat, gibt es bei der Leistungsgruppe des Climbing-Teams sogenannte Extratrainings. Diese finden samstags oder sonntags statt und es wird sich ganz speziell einem Thema gewidmet.

Am Sonntag dem 29.Januar 2017 fand das Extra- „Mentaltraining“ im DAV Kletterzentrum Stuttgart statt. Im Seminarraum beschäftigten wir uns zunächst einmal grundlegend mit dem Thema und erörterten, welche mentalen Techniken bereits bekannt sind und auch angewendet werden. Im Folgenden wechselten sich dann die Theorie (im Seminarraum) und die Praxis (beim Bouldern und Klettern) ab.

 

Los ging es mit dem Thema Motivationsproblem. Im Laufe seiner Kletterkariere wird vermutlich selbst der eigentlich Motivierteste einmal an den Punkt kommen, an dem er sich fragt, ob das ganze Training überhaupt irgendetwas bringt. Aber auch im Kleinen, wenn zum Beispiel schon die Finger schmerzen, dass Projekt aber noch nicht durchgestiegen ist, fällt es manchmal schwer sich zu überwinden. Wie wir festgestellt haben, ist es wichtig die richtigen Ziele zu haben. Egal ob es ein Jahres-, Halbjahres-, oder aktuelles Trainingsziel ist – es gibt einem etwas, auf das man hinarbeiten kann und eine Sinnhaftigkeit für all die Qualen, die man dafür auf sich nehmen muss. Das Ziel sollte aber auch erreichbar sein, denn ein nicht erreichtes Ziel kann auch demotivieren. Abgesehen davon stellten wir fest, dass auch die Wahl eines motivierten Trainingspartners, oder das abschließen von Wetten, aus kleineren Motivationstiefs heraushelfen kann. Bei eher stupiden Trainingseinheiten (z.B.: Krafttraining, Ausdauertraining etc.) kann auch das Hören der Lieblingsmusik helfen sich dafür zu motivieren.

 

Das nächste Thema des Trainings war die Kontrolle von Aufmerksamkeit und Konzentration. Auch dieses Problem ist sicher vielen bekannt. Nach einem anstrengenden Tag bei der Arbeit oder in der Schule kommt man abends in die Kletterhalle und legt sofort los. Doch die Gedanken kreisen immer noch um Arbeit oder Schule und sicherlich nicht um den nächsten Griff. Oder wir konzentrieren uns zwar auf das Klettern, aber in dem Augenblick auf die falsche Sache. Also zum Beispiel während dem Treten nicht mehr auf den Fuß, sondern schon auf den nächsten Zug. Irgendwie wollen wir dann versuchen unseren Kopf wieder auf die Spur zu bringen. Eine gängige Möglichkeit dazu ist das Selbstgespräch: Vor, während oder nach dem Klettern versucht man sich durch Anweisungen in der Ich-Perspektive auf das Richtige zu konzentrieren. „Stell den Fuß sauber!“, „Spannung in der Hüfte!“, „Jetzt auf das Fingerloch konzentrieren und einsortieren.“. Ich gebe zu, es mutet etwas schizophren an, aber manchen hilft es. Zusätzlich kann man sich mit dem Selbstgespräch auch noch motivieren („Ich kann das!“), das eigene Tun relativieren („Wenn‘s nicht jetzt klappt, dann halt beim nächsten Mal.“) oder nach einer Lösungsmöglichkeit suchen („vielleicht muss ich Eindrehen“).

 

Auch wenn einem vor oder während dem Klettern negative Gedanken (z.B.: oje, ich kann nicht clippen) durch den Kopf fliegen, gibt es Möglichkeiten diese fort zu jagen. Wir haben das mit der Stoppschildtaktik und der Gedankenumwandlung geübt. Bei der Stoppschildtaktik stellt man sich in dem Moment, in dem ein negativer Gedanke aufkommt ein fettes, rotes Stoppschild vor, um den Gedankengang aufzuhalten. Bei der Gedankenumwandlung versucht man den negativen Gedanken durch etwas Positives umzuwandeln. Also zum Beispiel: „Oje, ich kann nicht clippen – aber der nächste Griff sieht ganz gut aus und ich habe einen guten Sicherer.“

 

Das waren natürlich nicht alle Themen, die wir in diesem Training behandelt haben. Es gibt aber einen ganz guten Einblick, mit was wir uns beschäftigt haben. Was sich hier im Text nach viel Theorie anhört, muss tatsächlich vor allem geübt werden. Das liegt daran, dass Mentaltraining eine sehr individuelle Sache ist und nicht alles jedem hilft. Auch wenn der Praxisteil beim Extratraining eindeutig überwog, forderten einige Teilnehmer einen noch höheren Kletteranteil. Manchmal macht man sich als Trainer eben zu viele Sorgen um die Erschöpfung der Athleten. Beim nächsten Extratraining dann. :)

 

Ob das Gelernte auch etwas bringt, wird sich spätestens in den kommenden Stresssituationen, nämlich auf dem Ba-Wü Cup in Tübingen und bei den Süddeutschen Meisterschaften in München zeigen.

Wir freuen uns drauf!

 

 

Text und Bilder: Michael Müller

 

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