Klettermarathon auf der Waldau

>> Stefan Kuntnawitz und Michi Müller sind vom 12. auf den 13. Mai gemeinsam alle knapp 300 geschraubten Indoor-Routen im Kletterzentrum geklettert. <<

 

„Weißt du was mal abgefahren wäre?“ „Was?“ „Alle Routen in der Halle in 24 Stunden zu klettern! Wärst du dabei?“ „Na klar!“ So hat alles angefangen, als Stefan Kuntnawitz mir eines Tages von seiner Idee erzählte. Die Idee wurde dann schnell konkreter. Wir weihten Georg in unsere Pläne ein, der sofort einverstanden war und uns seine Unterstützung zusicherte.

 

Erste Hochrechnungen ergaben dann schnell, dass nicht jeder von uns beiden alle Routen in 24 Stunden klettern könne, sondern wir es zusammen versuchen wollten. „Alle“ Routen zu klettern war uns auch nicht möglich, denn im Kletterzentrum gibt es einige Strukturwände, die bislang nur sehr wenige Wiederholungen erleben durften und auch die „Adam Ondra Tour Tour“ schien uns dann doch zu unmöglich! Damit stand also unser Vorhaben fest. Wir wollten: Zusammen alle geschraubten Routen bis zum 10. UIAA Grad im Kletterzentrum Stuttgart innerhalb von 24 Stunden klettern.

 

Die Planung des Ganzen ging damit aber erst richtig los. Einer der für uns wichtigsten Punkte war die Sicherheit. Wir würden vor allem gegen Ende erschöpft und müde sein. Zunächst wollten wir deshalb mit zwei Seilen klettern, wodurch wir immer im einmal kontrollierten Knoten eingebunden bleiben konnten. Außerdem entschieden wir uns, die Touren ab dem Grad 7+ und leichter überwiegend im Toprope zu klettern und dabei mit Halbautomaten zu sichern. Einige Freunde erklärten sich bereit, uns das Sichern zeitweise ganz abzunehmen. Um schließlich auch noch mit dem Restrisiko eines Unfalls verantwortungsbewusst umzugehen, erklärte sich Julia Kuntnawitz bereit über Nacht zu bleiben.

Nachdem das geklärt war, konnten wir uns um die Detailfragen kümmern. Wer sollte welche Routen klettern, welchen Schwierigkeitsgrad würden wir wann klettern, wie dokumentieren wir unsere gekletterten Routen?

Am Donnerstag, dem 12. Mai. 2016 um Punkt 16 Uhr sollte es dann losgehen. Als ich eine Stunde vorher in die Halle kam, hatte Stefan schon zwei Laptops aufgebaut, an denen wir unsere gekletterten Routen in ein von ihm und Georg eigens dafür erstelltes Programm eintragen konnten. Ich war von dem Level an Professionalität überrascht, da ich mangels Zeit wenig beim Planen hatte helfen können und so nicht von allen Vorbereitungen wusste.

 

Um 15:59 Uhr standen wir beide in den Startlöchern. Wir begannen mit ein paar leichteren Aufwärmrouten und steigerten uns dann zügig in Richtung unserer beiden schwersten Routen für diesen Tag. Stefan musste „Donnerbalken“ (lila 10-) und ich „Extrawurst“ (blau 9+/10-), beide an der Wettkampfwand, klettern. Vor dem Einstieg in meine Tour lagen meine Nerven blank. So lange hatten wir uns darauf vorbereitet. Ich hatte die Route schon oft geklettert, aber dieses Mal fühlte sich alles anders an. Am vorletzten Griff, das Top schon zum Greifen nah, rutschte mir dann mein Fuß weg! Ich konnte mich gerade noch abfangen. Mein Puls lief auf Hochtouren. Ich versuchte mich noch ein letztes Mal zu konzentrieren – und rettete mich zum Topgriff. Erst einmal war ich erleichtert.

Auch Stefan kletterte in seiner Route souverän zur Schlüsselstelle am obersten Ende des Balkens. Dann geschah das, wovor es uns gegraut hatte. Am Topzug rutschte Stefan vom Griff ab und stürzte ins Seil. Unsere optimistische Stimmung war plötzlich verflogen. Doch cool bleiben, runterkommen und weiter machen war angesagt. Nach einer längeren Pause und einigen leichteren Routen fühlte sich Stefan bereit einen zweiten Versuch zu wagen. Bevor er zum entscheidenden Zug ansetzte, sammelte er sich noch einmal kurz, chalkte sogar und zog dann entschlossen zum Topgriff. Er hatte es geschafft und wir waren damit wieder im Rennen!

 

Mit viel Selbstbewusstsein ging es nun an die verbleibenden 9er und später an die 8er, die noch zu klettern blieben. Auch wenn Stefan und ich 8er normalerweise souverän klettern können, wurde es manchmal noch ganz schön knapp. Georgs Tipps konnten uns zum Glück einige Male vor dem Verklettern bewahren. Gegen 22:10 Uhr hatten wir dann endlich auch alle 8er geklettert.

 

Sina, Lea und Andrea Roller sicherten uns noch bis um Mitternacht. Wir kletterten zwar trotzdem stets nacheinander, schließlich war das Teil unserer selbst aufgestellten Regeln, zwischen unseren Routen konnten wir dafür aber Pause machen, um auch mal etwas zu essen oder zu trinken. Nach den 8ern, kletterten wir die Routen jetzt nicht mehr nach Schwierigkeit geordnet, sondern nach Wandbereichen. Um Zeit zu sparen, hängten wir eine Tour im Vorstieg ein und kletterten die restlichen 5 Routen (3 Linien) im Toprope. Unsere Zeitersparnis zeigte sich schnell auch im Computerprogramm.

 

Ab ungefähr 2 Uhr waren wir dann ganz alleine in der großen Halle, das hatte auch etwas für sich. Stefan hatte sogar an Musik gedacht und so konnten wir uns das doch etwas eintönig werdende Klettern der nahezu unzählig wirkenden Routen versüßen.

 

Verblüffender Weise ging uns nicht die Kraft aus. Stattdessen meldeten sich bei mir die Waden und die Zehen, die in den engen Schuhen zu schmerzen anfingen. Die Motivation blieb aber, denn unser Ziel kam immer näher. Wir hatten 80% geschafft und hatten uns bereits einige Stunden Puffer erklettert. Diesen bauten wir auch in den verbleibenden Routen aus, so dass ich um Punkt 8:00 Uhr, 16 Stunden nach Beginn, das letzte Top abklatschen konnte.

Wir hatten unser Ziel damit übererfüllt und waren erst einmal glücklich!

 

Ohne unser „Team“ hätten wir das ganze nie geschafft. Unser Dank geht zunächst mal an Georg Hoffmann, der uns sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung tatkräftig unterstützt hat. Des Weiteren wollen wir auch Anke Hoffmann, Julia Kuntnawitz, Sina Roller, Lea Roller, Andrea Roller und Martin Müller für ihre große Hilfe während des Kletterns danken. Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen!

Zu guter Letzt auch noch ein Dankeschön an all die, die gekommen sind, um uns anzufeuern oder uns an der Wand den Vortritt gelassen haben.

 

 

Text: Michael Müller

Bilder: Georg Hoffmann und Martin Müller

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