Internationale DM Lead - ein Erfahrungsbericht
Internationale DM Lead - ein Erfahrungsbericht
10.10.2020, 11:15. Zeit mich auf den Weg zu machen. Denn heute genieße ich das Privileg auf der Internationalen Deutschen Meisterschaft Lead 2020 zu starten. International weil der DAV sich in diesem, an internationalen Wettkämpfen sehr armen Jahr entschieden hat auch Athleten aus unseren unmittelbaren Nachbarländern einzuladen. Das ist eine sehr schöne Geste und stellt einen internationalen Vergleich auf, an dem sich die Top-Athleten orientieren können. Zu denen gehöre ich definitiv nicht, profitiere also nicht wirklich von der dadurch bedeutend stärkeren Konkurrenz. Jedoch finde auch ich es sehr inspirierend mit Athleten aus Österreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden und Deutschland auf einem Wettkampf zu starten. Der Wettkampf findet dieses Jahr in Dietmannsried, einer nicht einmal 10.000 Einwohner fassenden Gemeinde nördlich von Kempten in Bayern. Trotz seiner Größe erfreut sich Dietmannsried jedoch an einer herausragenden Kletter- & Boulderhalle, dem „Exxpozed Climbing“. Ich habe mich am vorherigen Wochenende über die Süddeutsche Meisterschaft Lead in Illertissen mit einem 9. Platz qualifiziert und fahre jetzt auf meine 2. Deutsche Meisterschaft der Herren.
Die Quali der Damen schaue ich noch nebenher auf der Autofahrt, sie mussten schon früh aufstehen, ich bin erst um 15:30 dran. Dazu kommt, dass ich auf der im Vorhinein ausgelosten Startliste ganz hinten stehe. Das bedeutet für mich, dass ich in der 1. Qualiroute im Mittelfeld starte und in der 2. Qualiroute allerletzter Starter bin. Das birgt Vorteile und Nachteile. Die lange Wartezeit verstärkt zwar die Aufregung eher, dafür habe ich viel Zeit mir die anderen Athleten in den Routen vor mir anzuschauen und mir die eine oder andere Lösung abzuschauen.
Um kurz vor 5 Uhr bin ich schließlich in meiner ersten Qualitour an der Reihe. Wie von einer Deutschen Meisterschaft mit internationaler Beteiligung zu erwarten ging es gleich von Anfang an zur Sache. Dazu muss gesagt werden, dass ich eher ein Boulderer bin, Maximalkraft habe ich also mehr als Ausdauer. Deshalb freue ich mich immer über harte Routen, in denen man so früh fällt, dass die Ausdauer keine große Rolle spielt. Die Route ist eher leistig, man macht viele Züge ohne wirklich voranzukommen und die Fußarbeit spielt eine große Rolle, wenn man nicht unnötig früh Energie verlieren will. Unerwarteterweise fühle ich mir sehr gut, kann eine harte Stelle relativ weit unten mit einem Hook entschärfen und erkämpfe mir die Wertung 26+. In dieser Route belege ich am Ende den 22.Platz, dieser wird, vereinfacht gesagt, mit der Platzierung aus der Anderen multipliziert und daraus die Wurzel gezogen. Am Ende kommen die 26 mit der niedrigsten Wertung ins Halbfinale. Ich habe mir also eine durchaus komfortable Zwischenposition erkämpft. Nur ausruhen kann ich mich darauf nicht, dafür ist die Konkurrenz zu fit.
Zwischen den beiden Qualifikationsrouten habe ich mindestens 50 Minuten Pause, das ist im Regelwerk festgelegt. Für mich bedeutet das, dass ich 50 Minuten habe um wieder zu regenerieren, mich noch einmal kurz warmzumachen und mir dabei die vor mir liegende Route ganz genau anzuschauen. Während die 1. Route eher kleingriffig war, ist die 2. Route genau das Gegenteil davon. Große, flache Sloper, teilweise auf Untergriff gedreht mit einzelnen Leisten und Löchern erwarten mich dort. Das Ganze klettert sich zu Beginn eher wie ein „Kühlschrank“ (Klettererjargon für eine Route, bei der man, wie wenn man an einem Kühlschrank klettern würde, immer rechts und links senkrechte, teilweise an der Kante liegende Griffe hat). Die wackelige Sloper-Untergriffpassage am Start meistere ich noch solide, danach komme ich aber nicht so wirklich in die Route hinein. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Route an sich schon nicht so flüssig klettern lässt, wie manch andere. Bis zur 5. Exe verbrauche ich deshalb viel zu viel Kraft. Die Route endet für mich leider sehr früh, die fehlende Energie hat mich unvorsichtig werden lassen. Ein eigentlich nicht allzu schwerer Zug stoppt mich bei circa einem Drittel der Wand. Diese Route kostet mich am Ende den Halbfinaleinzug. Mit einem 31. Platz und einem 22. Platz werde ich am Ende 28. und verpasse die Top 26 um zwei Platzierungen. Etwas ärgerlich, hätte es doch auch mit einer besseren Performance in Route 2 reichen können, aber doch sehr zufriedenstellend. Hätte mir am Vorabend jemand gesagt, ich würde am nächsten Tag einen 28. Platz (21. ohne die internationalen Starter) erreichen, ich wäre super glücklich gewesen. Aber so ist das mit Wettkämpfen, sie leben von Vergleichen, und 100%ig zufrieden kann man wahrscheinlich nur sein, wenn man die Goldmedaille mit nach Hause nimmt.
Im Halbfinale und Finale am nächsten Tag setzen sich Christoph Hanke (Bayern), Louis Gundolf (Österreich) und Sascha Lehmann (Schweiz)beu den Herren durch, bei den Frauen gewinnt Jessica Pilz (Österreich) vor Eva Maria Hammelmüller (Österreich) und Michelle Hullinger (Schweiz). Danke an den DAV und das Exxpozed Climbing für das tolle Wettkampfwochenende und hoffentlich bis auf der nächsten Deutschen Meisterschaft!
Text: Ben Pfeiffer