Fontainebleau
Im Herbst letzten Jahres hat es die Leistungsgruppe mal wieder nach „Bleau“ verschlagen. Schon im Sommer war der Wunsch geäußert worden, doch endlich mal wieder Bouldern zu gehen. So ging es dieses Jahr mit einer sehr jungen Gruppe ins „Land der unzähligen Sandsteinblöcke“. Für Einige war es sogar das erste Mal im „sagenumwobenen Sandkasten nahe Paris“.
Wir müssen zugeben, wir haben uns Sorgen gemacht. Nicht etwa vor der Ernüchterung, die sich breit macht, wenn gestandene 7a-Boulderer an 4c-Problemen scheitern und sicher auch nicht vor dem Herunterfallen. Sondern vor einem herbstlich, verregneten und kalten Urlaub, den wir noch dazu im Zelt hätten durchstehen müssen. Doch unsere Ängste sollten schnell im Sande ;) verlaufen, denn wir wurden gleich am ersten Tag von strahlendem Sonnenschein geweckt.
Wie immer, wenn man nach längerer Zeit wieder im „Boulderwald“ ist, galt es, sich erst einmal an den Fels, die runden Griffe und die vergleichsweise unüblichen Kletterbewegungen zu gewöhnen. Als Einstiegsgebiet hatten wir uns 95.2 ausgesucht. In der sengenden Hitze der Vormittagssonne wurde sich rasch der Daunenjacke entledigt. Dazu muss man sagen, dass sonnige 13°C im „Slopergebiet No.1“ schnell zu einer rutschigen Angelegenheit werden können. Die angestaute Vorfreude entlud sich schlagartig und es wurde alles versucht, was uns unter die Finger kam. Da ließen die Erfolge nicht lange auf sich warten. Die Zeit verging wie im Flug, und mir nichts dir nichts, noch bevor man den 100. Boulder am Tag klettern konnte, wurde es schon wieder dunkel. Wie immer auf alles vorbereitet, packten wir Taschenlampen und den LED Strahler aus und konnten so trotz einsetzender Dämmerung noch einige Boulder, wie zum Beispiel Le P‘tit Toit (6b+) – von uns wegen seines Aussehens in „Krokodil“ umgetauft – abhaken.
Abends wurde dann, wie auch die nächsten Tage das Kochen perfektioniert. Wie sich zeigte, konnten selbst die Trainer noch einiges lernen, was wir dem Leser an dieser Stelle natürlich nicht vorenthalten möchten. Habt ihr zum Beispiel gewusst, dass Nudeln zunächst angebraten werden müssen, bevor sie mit dem Gemüse vermischt werden dürfen? Dadurch bildet sich nämlich die sogenannte „Nudlon-Schicht“ (wir Trainer nannten es angebrannt), die dem Ganzen ein besonderes Aroma verleiht. Man lernt eben nie aus.
Am nächsten Morgen spürten wir den Muskelkater schon in den Beinen. „Eine Runde Joggen lockert die Muskeln und macht fit für den Tag“, dachte sich zumindest die Jugendgruppe auf dem Platz neben uns. Wir schauten beeindruckt zu, blieben dann aber doch lieber in unseren Campingstühlen sitzen und lockerten uns lieber mit einem ausgiebigen Frühstück und dem Pläneschmieden für unseren zweiten Tag im Wald von Fontainebleau. Für diesen Tag fiel uns „Rocher de Potala“ ins Auge. Jannes hatte hier noch eine Rechnung offen, und seinen Beschreibungen nach wollten sich auch einige der anderen an dem Dach-Boulder-Kanten-Ausstiegsproblem namens „Samarkand“ (7b+) versuchen. Nachdem einige von uns, darunter (natürlich) auch Jannes, hier Erfolg vermelden konnten, zogen wir weiter durchs Gebiet mit dem Ziel, uns auch mal an einigen senkrechten und kleingriffigen Platten des „Gewusst Wie-Gebietes“ Bleau zu versuchen. Also hieß es Fingernägel ausfahren, Kletterschuhe anspitzen, die feine Griffbürste auspacken und vor allem Finger-Schmerz-Toleranzgrenze herunterfahren. In den Führer haben wir allerdings lieber nicht geschaut. Zu groß war das Risiko an einem 5a Boulder zu scheitern. Schaut man nicht nach, kann man sich wenigstens einreden, es sei eine 7a gewesen ...
Wir liefen mit dem Crashpad auf dem Rücken durchs Gebiet und versuchten uns in allem was gut und halbwegs machbar aussah. Wir stellten uns in den senkrechten Problemen gar nicht so schlecht an und konnten einige der kniffligen Boulderduelle schnell für uns entscheiden. Auch diese Bouldersession endete erst mit dem Einsetzen der Dunkelheit. Wir konnten uns einfach nicht trennen! Um dem daraus resultierenden späten Essen entgegenzuwirken, nahmen wir uns für den nächsten Morgen vor, etwas früher aufzustehen.
Im Gebiet „Rocher aux Sabots“ versuchten einige von uns „Jet-Set“ (7a+) zu klettern. Doch diese durchaus harte Nuss sollte für diesen Urlaub untopbar bleiben. Sicherlich war das „nur“ den schlechten Bedingungen an diesem Tag geschuldet :). Wir wendeten uns daher anderen Problemen zu. So zum Beispiel einem Dynoboulder, den Falk in nur wenigen Versuchen kletterte. Auch die anderen kamen in diesem Gebiet voll auf ihre Kosten, so dass viele Boulder, darunter auch mehrere 7a-Boulder, geklettert wurden. Ein besonders schönes Exemplar aus der „création bleausard“, das wir hier noch empfehlen möchten, ist „Chapeau Chinois“ (6b), ein toll aussehender Dachboulder, der allerdings gar nicht so schwer war wie zunächst erwartet. Es sei noch gesagt, dass das frühere Aufstehen ohne nennenswerten Effekt auf die Abendessenszeit blieb. Unsere Motivation schien unersättlich und das Angebot ist bekanntlich einfach riesig.
Eines der Must-do‘s ist sicherlich „Cul de Chien“, das wahrscheinlich mit zu den bekanntesten Gebieten dieses „Bouldermekkas Europas“ gehört. Dort versuchten wir uns dann auch am Pflichtprogramm dieses Gebietes. Das sogenannte „Toit de Cul de Chien“ (7a) ist ein eindrucksvoller Dachboulder, dessen Crux ein Sprung an einen Griff über der Dachkante ist. Tatsächlich konnten fast alle den Boulder klettern. Zumindest nachdem die Trainer durch einiges an Überzeugungsarbeit und Vorklettern gezeigt hatten, dass der Boulder möglich ist. Einige hatten danach immer noch nicht genug vom Projektieren schwerer Boulder und hängten sich gleich in den am anderen Ende des Gebietes gelegenen Boulder namens „Arabesque“ (7b+). Der Rest der Gruppe suchte sich die Perlen unter den etwas einfacheren Bouldern heraus. Doch wer schon mal in „Font“, wie es die Briten nennen, war, weiß, dass „einfacher“ hier keinesfalls „einfach“ ist. So entstand bei dieser Session auch der geflügelte Spruch: „In Bleau sind die Ausstiege immer das Schwerste.“ Ein Spruch, der zumindest für Nicht-Lokals oft seine Richtigkeit hat und im Laufe der Ausfahrt noch so oft Anwendung fand, dass er schließlich auch noch als Unterüberschrift dieses Artikels herhalten musste.
Eine weiteres, nicht ohne Grund sehr bekanntes Gebiet am „einzigen Strand ohne Meer“ ist „Bas Cuvier“. Es lockt unter anderem mit Klassikern wie „Helicopter“ (7a) und „Marry Rose“ (6a). Basti stürtzte sich direkt in Ersteren und konnte ihn nach einigen Versuchen souverän austoppen. Die anderen hatten sich derweil an „Marry Rose“, der ersten 6a der Welt, zu schaffen gemacht. Für diesen Boulder soll sogar der vermutlich weltbeste Kletterer Adam Ondra zwei Versuche gebraucht haben. Nach einigen Versuchen und gründlichem Putzen der mit den Jahren doch etwas polierten Griffe (unüblich in diesem Gebiet mit den wohl höchsten Reibungswerten) kann Malena den Boulder jetzt auf ihrer Tickliste begrüßen. Damit war der Tag aber noch nicht vorbei. Wie schon an den Tagen zuvor, streunten wir nun wieder weiter durchs Gebiet und versuchten uns an den am besten aussehenden Problemen.
Dabei stachen uns im „Gebiet der unzähligen Mantelaustiege“ natürlich auch einige der kugelrunden Blöcke ins Auge. Theo konnte hier einen der besonders runden Ausstiege als erstes für sich verbuchen. Teils mit ausgefeilter Robb-Technik (d.h.: möglichst viel Körperfläche auf den Fels bringen und dann mit welligen Bewegungen hocharbeiten) konnten auch die anderen diesen für Bleau so typischen Boulder austoppen.
Ein weiterer guter Klettertag ging damit zu Ende. Was keiner wusste: Es sollte der Letzte für diesen Urlaub sein. Uns holte nämlich doch das herbstliche Wetter ein. Da wir jedoch auf einen sonnigen, erfolgreichen und sehr spaßigen Urlaub zurückblicken konnten und bei manchen die Fingerspitzen auch schon tief rot waren, empfanden wir die etwas frühere Rückfahrt als vertretbaren Preis für 5 Tage mit guten Bedingungen. Da unsere künftige Rückkehr in die „Pariser-Outdoor-Sport-Anlage“ sowieso sicher ist, nutzen wir den letzten Tag für einige Gebietsbesichtigungen, um uns schon einmal mit den Projekten des nächsten Urlaubs bekannt zu machen.
Text und Bilder: Michael Müller