Der Ausweg aus dem Winterblues

Letztens habe ich es irgendwo gelesen: „Dunkelster Winter seit 1951“. Es viel mir nicht schwer das zu glauben. Graue Wolken jeden Tag aufs Neue. Der Gedanke die Sonne gehe gar nicht erst richtig auf kommt einem unumgänglich in den Sinn. Ständig muss man auf der Hut vor dem Winterblues sein. Die Medizin hat dafür sogar einen Begriff: „Seasonal affective disorder“ Abgekürzt SAD – wie passend.

 

Es war also sogar ein bisschen medizinisch notwendig, dass wir in den Weihnachtsferien 10 Tage wegmussten. Wohin fragt sich da nur. Nun ja die Richtung Süden war natürlich schon mal vorgegeben. Nach kurzem hin und her wurde zum wiederholten Male Seynes als Ziel unserer Träume auserkoren.

 

Endlich Sommer Sonne Sonnenschein oder in diesem Fall eher Sommer Sonne Sinterkletterei. Die Sonne ließ zwar dann an einigen Tagen auf sich warten, aber an SAD konnten wir nicht leiden, denn sobald wir Fels unter den Fingern spüren ist einfach immer alles super. Der Fels in Seynes sieht schon von weitem beeindruckend aus. Besonders im Hauptsektor hat es fast den Anschein, als wäre flüssiges Gestein den Fels entlang runter gelaufen und dabei erstarrt. Lange Sinterbahnen bieten wunderbare Linien für Touren in Schwierigkeitsgraden zwischen 7a und richtig richtig schwer. Aber auch leichtere Routen finden sich in den Bereichen links und rechts des Hauptsektors. Es ist eben für jeden was dabei. Da einige von uns nun schon zum dritten Mal in diesem Winterdomiziel waren, sind wir auch tatsächlich in den Bereich links des Hautpsektors gewandert. Hier gibt es zwar nicht so eindeutige und beeindruckende Sinterlinien, wer aber Kalkstein-Wand-Kletterei mag, der wird auch hier auf seine Kosten kommen. Diejenigen, die zum ersten Mal in Seynes überwinterten, versuchten sich derweil an den klassischen Linien des Hauptsektors. Dinosaure (8a), l’avant Dinosaure (7c) aber auch weniger fossil reptile Routen wie tube neural (6c+) oder Cortijo direkt (7c+) bieten einmalige bzw. im Falle von tube neural eigenartige Kletterei.

 

Nachdem wir schon einige Tage in Seynes verbracht hatten, konnten wir uns doch irgendwie von diesem Gebiet losreißen und noch in das in der Nähe liegende Gebiet Russan wechseln. Auch hier waren schon einige von uns zwei Jahr zuvor gewesen. Russan liegt schön gelegen unterhalb eines Plateaus an einem großen Fluss, dem Gardon. Doch dann sahen wir, was keiner von uns gedacht hatte. Das komplette ca. 20m breite Flussbett war komplett ausgetrocknet. Tatsächlich habe ich danach gelesen, dass der Fluss in den regenarmen Sommermonaten öffters komplett austrocknet. Einen ganz besonders wagemutigen Pionier unserer Gruppe veranlasste das natürlich sofort, den beschwerlichen und dornenreichen Weg zum Fluss auf sich zu nehmen um dieses Naturphänomen genauer zu untersuchen. Befund: Keiner. Dafür aber jede Menge Spaß!.

 

Nun aber zurück zum Klettern. Der Charakter der Routen wechselt im Vergleich zu Seynes spürbar. Es gibt tendenziell weniger Sinter, die Routen sind etwas kürzer aber bieten dennoch erstklassige Kalkkletterei. Für die Fledermäuse unter den Kletterern bietet das Gebiet außerdem eine beeindruckende Grotte. In einer Route der Grotte, kann man sich tatsächlich nur an den Füßen in ein Loch hängen und im wahrsten Sinne des Wortes, einfach mal die Seele baumeln lassen. Wie es im Urlaub ja auch sein soll. Angry birds (7c) heißt dieser kleine, kurze, steil überhängende Geheimtipp für alle die Dachkletterei mögen. Aber auch im weniger steilen Gelände gibt es einige empfehlenswerte Routen. Pipe-line (8a) ist vermutlich die bekannteste Route im Gebiet, Macumba ist eine schöne 7c mit (Achtung Spoiler Alarm!) dynamischem Schlüsselzug in der Mitte. Wir finden, auch dieses Gebiet ist auf jeden Fall ein zwei oder drei Besuche wert.

 

Wie es immer ist, ging auch dieser Urlaub viel zu schnell zu Ende. Sonne konnten wir auf jeden Fall tanken und soweit ich den Zustand der Gruppe abschätzen kann ist keiner dem Winterblues verfallen.

Ein Glück!

 

Bericht und Bilder: Michael Müller

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